Mit dem Länderreport Sachsen-Anhalt setzt Wirtschaft+Markt die im ersten Halbjahr 2023 mit Brandenburg, Thüringen begonnene Recherche-Serie fort. Auch diesen Report werden wir in mehreren Teilen veröffentlichen, denn es gibt mehr zu berichten, als man so gemeinhin denkt.
Teil 1 – 15.09.2023: Zahlen und Fakten zur Wirtschaft/ Bekannte Marken
Teil 2 – 21.09.2023: Mit Intel auf der Überholspur
Teil 3 – 13.09.2023: Die Chemieparks als Rückgrat der Wirtschaft
Teil 4 – 20.09.2023: Pharmaindustrie setzt auf Sachsen-Anhalt
Teil 5 – 27.10.2023: Energiebranche treibt die Entwicklung
Teil 6 – 03.11.2023: Logistik rollt im Land – Automotive und Maschinenbau im Wandel
Hier nun die Auftaktfolge.
Zahlen und Fakten zur Wirtschaft
Das Bruttoinlandsprodukt des Landes stieg 2022 gegenüber dem Vorjahr preisbereinigt um 2,6 Prozent. Damit konnte Sachsen-Anhalt ein besseres Ergebnis als Deutschland (+1,8 Prozent) und Ostdeutschland ohne Berlin (+2,3 Prozent) erzielen. Die größten Branchen des Landes bleiben die Chemieindustrie, die Mineralölverarbeitung, die Nahrungs- und Futtermittelindustrie, die Metallerzeugung und -bearbeitung, Gummi- und Kunststoffwaren, der Maschinenbau. die Papierherstellung und die Pharmazie.
Überdurchschnittlich wuchsen laut Statistischem Landesamt Handel, Verkehr, Gastgewerbe; der Bereich Information und Kommunikation und das Verarbeitende Gewerbe. Besser als im Bundesdurchschnitt entwickelten sich zudem auch die Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister; das Grundstücks- und Wohnungswesen sowie die Öffentlichen und sonstigen Dienstleister. Regional wuchsen (im Jahr 2021) die Landkreise Saalekreis (+13,5 Prozent), Börde (+10,5 Prozent) und Anhalt-Bitterfeld (+9,3 Prozent) besonders stark.
Die Konjunkturexperten der Nord/LB sehen zudem ein Aufblühen des Exportgeschäfts. 2022 exportierte Sachsen-Anhalt bis Oktober Güter im Wert von 20,2 Milliarden Euro. Dies entsprach einer Steigerung von 28,4 Prozent und lag über dem bundesdeutschen Anstieg bei den Ausfuhren.
Bei den Betriebszahlen ragt in Sachsen-Anhalt die Nahrungs- und Futtermittelbranche heraus (172 Betriebe). 113 Betriebe stellten chemische Erzeugnisse her. Ihre Gesamtumsätze von fast 14 Milliarden Euro übersteigen die des Nahrungsmittelsektors aber um immerhin mehr als fünf Milliarden Euro. Außerdem sind in Sachsen-Anhalt zahlreiche Betriebe in der Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik sowie Verarbeitung von Steinen und Erden tätig. Die 158 Betriebe in diesem Bereich erwirtschaften mit 2,5 Milliarden Euro aber vergleichsweise geringe Umsätze. Die 219 Betriebe der Metallerzeugung setzten 2022 insgesamt 2,6 Milliarden Euro um.
Bekannte Marken aus Sachsen-Anhalt
Aus Sachsen-Anhalt stammen viele beliebte, oft bundesweit vertriebene Lebensmittelmarken. Mit Rotkäppchen kommt die erfolgreichste Sektmarke in Deutschland aus Freyburg (Unstrut). Kathi Backmischungen aus Halle, Burger Knäckebrot aus Burg, Halloren Schokolade aus Halle (Saale), Original Zörbiger Marmelade, die Quarkprodukte der frischli GmbH aus Weißenfels, Halberstädter Würstchen oder Hasseröder Bier aus Wernigerode sind weitere beliebte Markenprodukte, die zwischen Harz und Elbe produziert werden. Im Jahr 2021 waren nahezu 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Betrieben tätig, die Nahrungs-, Futtermittel oder Getränke herstellen. Aktueller Neuzugang: die Berliner Firma Florida Eis. Der Bau ihrer neuen Eisfabrik in Schönebeck verzögerte sich zuletzt allerdings.
Folge 2
Mit Intel auf der Überholspur
Mit der Investition des Chipgiganten Intel in Magdeburg ist Sachsen-Anhalt ein – wenn auch teurer – Coup gelungen. Die Chipfabrik soll ein neues Industriezeitalter in Sachsen-Anhalt einläuten. Für Wirtschaftsminister Sven Schulze befindet sich das Land auf der Überholspur, wie er es im Interview mit Wirtschaft + Markt formulierte.
Im Sommer machte sich Wirtschaftsminister Sven Schulze von Sachsens-Anhalts Tempo auf der Überholspur auf seiner Radtour durchs Land vielerorts ein eigenes Bild. Beispielsweise im Wissenschaftshafen Magdeburg: Der Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Handelshafen war in seiner Blütezeit einer der modernsten Binnenhäfen Deutschlands, verlor nach dem Krieg aber nach und nach komplett seine Bedeutung. Heute firmiert das wiederbelebte Areal unter der Bezeichnung Wissenschaftshafen und zählt zu den mittlerweile 13 ausgezeichneten Zukunftsorten in Sachsen-Anhalt.
Forschung und Innovation sollen das historische Gelände bald prägen. Hier baut das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) die „Elbfabrik“, eine Forschungs- und Demonstrationsfabrik, in der Technologien und digitale Arbeitswelten erforscht und für kleine und mittlere Unternehmen erlebbar gemacht werden sollen. Wenige Meter davon entfernt will der Forschungscampus STIMULATE der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ein medizintechnisches Hightech-Zentrum entwickeln. Der Fokus von STIMULATE liegt auf Technologien für bildgeführte minimal-invasive Methoden in der Medizin. Auch Start-ups wie die RAYDIAX GmbH oder die Neoscan Solutions GmbH sind im diesem Umfeld der Medizintechnik im Wissenschaftshafen ansässig.
Noch kein offizieller Zukunftsort, aber der Ort der Zukunft im Land wird derweil im Gewerbegebiet Eulenberg an der A 14 geplant. Kaum ein Tag, an dem die Gigafabrik des Chipkonzerns Intel nicht die wirtschaftlichen Schlagzeilen im Land beherrscht. Die Investition gibt das Tempo für den Überholvorgang des Landes vor. Ab 2027 wollen die US-Amerikaner in der Elbestadt Chips der neuesten Generation produzieren und 10.000 Arbeitsplätze bei sich und Zulieferern schaffen. Einschließlich der staatlichen Hilfen von knapp zehn Milliarden Euro hat Intel dafür 30 Milliarden Euro im Köcher. Für jeden Job, den Intel nach Magdeburg bringt, entstehen weitere zehn in der Region, versprach Intel-Chef Pat Gelsinger bei der Vertragsunterzeichnung.
Und Intel soll zum Magneten für weitere IT-Investoren avancieren. Das internationale Forschungsunternehmen Sioux Technologies macht diesbezüglich den Anfang. Die Niederländer entwickeln High-Tech-Lösungen für die Halbleiterindustrie, für Labor- und Medizintechnik, Mechatronik, Mobilität und Clean Energy. Im Technologiepark Ostfalen in Barleben pumpt das Unternehmen zirka 20 Millionen Euro in ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit rund dreihundert Arbeitsplätzen. Leon Giesen, Geschäftsführer von Sioux Technologies, nennt explizit den Standortvorteil Intel: „Wir sind stolz darauf, zu den Ersten zu gehören, die sich im Intel-Technologieumfeld Sachsen-Anhalts etablieren.“
Folge 3 – Chemieparks
Chemiepark Leuna wächst weiter
So sehr sich gegenwärtig das öffentliche Interesse auf Intel konzentriert: Die wichtigste Industrie des Landes bleibt die Chemieindustrie. Auch hier ist vieles in Bewegung, wenn die Branche auch unter Energiekrise und der gebotenen Transformation zur Klimaneutralität ächzt. Der Chemiepark Leuna gilt gegenwärtig dennoch als eine der größten Baustellen in Deutschland. Hier arbeiten die Großen der Branche: Dow Olefinverbund, Linde, Shell oder TotalEnergies. Mehr Industriearbeitsplätze an einem Ort, so heißt es, finden sich nirgendwo anders in Ostdeutschland. Auf der anderen Seite ist der Chemiepark Leuna aber auch der größte Stromverbraucher im Land. „Wir haben den Anspruch, dass wir in Leuna der nachhaltige Industriestandort in Deutschland sind”, sagt Christof Günther, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Infraleuna GmbH, über den laufenden Umbau des Chemieparks.
Über 100 Unternehmen aus elf Nationen mit mehr als 12.000 Beschäftigten investieren hier zwei Milliarden Euro bis Ende 2024 in Forschung und die Transformation zur grünen Chemie in einem der größten Chemieparks Europas. Beispielsweise das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt – kurz DLR. Es plant in Leuna den Aufbau und Betrieb einer Technologieplattform für Power-to-Liquid-Kraftstoffe. Ziel des Projektes: eine strombasierte Entwicklung von Kraftstoffen für den Flugverkehr.
Strombasierte Kraftstoffe sind neben alternativen Antrieben und weiteren Steigerungen bei der Effizienz wichtige Schritte für den umweltverträglichen Flug- und Schiffsverkehr. „Damit wird das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt neben dem Kompetenzzentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme in Cochstedt mit einer zweiten Einrichtung in Sachsen-Anhalt vertreten sein“, begrüßt Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, die Standortwahl des DLR. „Mit der Entscheidung für den Chemiestandort Leuna wird der Strukturwandel im Mitteldeutschen Braunkohlerevier weiter forciert“, so Haseloff.
Für die Transformation der Chemieindustrie steht beispielhaft das finnische Biochemie-Unternehmen UPM. Es baut in Leuna eine Bioraffinerie, mit der erneuerbare und neuartige Biochemikalien ab Ende 2024 produziert werden können. 750 Millionen Euro fließen in die Fabrik, die aus nachhaltig erwirtschaftetem Laubholz Biochemikalien zur Fertigung von recyclingfähigen Materialien gewinnt. Diese ermöglichen eine Vielzahl von Anwendungen – etwa Bio-Monoethylenglykol, unverzichtbar für die Herstellung von PET-Flaschen und Polyestertextilien.
Auch das Industriegase-Unternehmen Linde erweiterte in Leuna seine Produktionskapazitäten für Krypton und Xenon an seinem größten Gase-Produktionsstandort. Die neuen Anlagen zur Herstellung und Abfüllung der Edelgase sind die modernsten und gehören zugleich zu den weltweit größten.
Chemieparks als Rückgrat der Wirtschaft
Auch der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen zählt zu den 13 Zukunftsorten des Landes. Hier produzieren traditionell Betriebe der Chlor-, Phosphor-, Farbstoff-, Pharma- und Fein-Chemie, mittlerweile aber auch Unternehmen der Batteriechemie und der Solarzellenfertigung. Ein Zukunftsprojekt im Chemiepark: Das Unternehmen AMG Lithium wird Ende 2023 eine Anlage für die Veredlung von Lithiumhydroxid in Batteriequalität in Betrieb nehmen. Zunächst wird AMG Lithium 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid in Batteriequalität jährlich produzieren – ausreichend für 500.000 E-Autos. Bis 2030 erhöht sich die Menge auf 100.000 Tonnen pro Jahr.
Im Dow-ValuePark der Dow Olefinverbund GmbH in Schkopau arbeitet mit dem Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ eine renommierte und in Europa einmalige Forschungseinrichtung, die neue Polymer-Produkte und innovative Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickelt. Zukünftig sollen Leichtbau- und bio-basierte Materialien erdölbasierte Polymere ersetzen. 2021 entstanden neue Anlagen für den thermoplastbasierten Leichtbau und für nachhaltige Reifenentwicklungen.
Nahe der Lutherstadt Wittenberg befindet sich Deutschlands einziger Agro-Chemie-Park. Hier produziert mit der SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH einer der größten Ammoniak- und Harnstoffproduzenten Deutschlands und einer der größten Hersteller von AdBlue, einem Entstickungsmittel für Diesel-Fahrzeuge. Im Zuge der Gaskrise 2022 geriet das Werk bundesweit in die Schlagzeilen, als es seine AdBlue-Produktion herunterfahren musste. Das Unternehmen gehörte bisher zu den Firmen mit dem höchsten Erdgasverbrauch in Deutschland. Bis 2027 will die SKW Piesteritz nun auf Oköstrom umstellen. Dann sollen 100 Prozent des Bedarfs mit selbsterzeugtem oder zugekauftem Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Teil 4
Pharmaindustrie setzt auf Sachsen-Anhalt
Neben der Chemieindustrie verfügt auch die Pharmabranche über ein starkes Standbein in Sachsen-Anhalt. Sie beschäftigt dort zirka 5.400 Mitarbeitende. In Bitterfeld stellt beispielsweise die Bayer AG seit 1995 Arzneien für mehr als 50 Länder her, u.a. Aspirin in allen Varianten. Und die Produktion im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen wird weiter ausgebaut. Zu den wichtigen Playern gehört auch die Salutas-Pharma GmbH mit rund 1.300 Mitarbeitenden an den Standorten Barleben und Osterweddingen. Sie verarbeitet rund 100 pharmazeutische Wirkstoffe zu knapp 8.000 verschiedenen Therapeutika. An die 8,6 Milliarden Tabletten und Kapseln pro Jahr liefert das Unternehmen für die Versorgung Deutschlands und 80 weiterer Länder in Sachsen-Anhalt aus.
Der Impfstoffhersteller IDT Biologika, ein führender Produzent von Impfstoffen, viralen Vektoren für Gen- und Immuntherapeutika und onkolytischen Viren, ist mit rund 1.700 Mitarbeitenden das größte Unternehmen im Biopharmapark Dessau. Das Traditionsunternehmen blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück und hat sich mit der Auftragsfertigung und -entwicklung hochwertiger Humanimpfstoffe, Gen- und Zelltherapeutika sowie Biologika in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Daneben sind Unternehmen wie Ceva mit dem Ceva Innovation Center zur Forschung und Entwicklung von Schweine- und Tollwutimpfstoffen oder die Merz Group, die in Dessau-Roßlau für knapp 50 Prozent des gesamten Konzernumsatzes sorgt und dort rund 40 Millionen Euro in eine hochmoderne Abfüllanlage mit Isolatortechnik sowie ein Multifunktionsgebäude investiert hat, im Biopharmapark ansässig. Bei der mittelständischen Serumwerk Bernburg AG steht neben bekannten Markenprodukten für Erkältungen und Wundheilungen die Veterinärmedizin im Mittelpunkt. Die Palette der Bernburger umfasst hochwertige Tierarzneimittel zur Therapie und Prophylaxe von Erkrankungen bei Nutz- und Kleintieren.
Und auch am Weinbergcampus in Halle (Saale) wird fleißig gebaut: Der Chemiekonzern WACKER hat im vergangenen Jahr den Ausbau seines dortigen Biotech-Standorts zum mRNA-Kompetenzzentrum begonnen. Die Produktionskapazitäten in Halle werden sich im Zuge der Erweiterung mehr als verdreifachen und die Zahl der Mitarbeiter mehr als verdoppeln. „Mit dem Ausbau zum Kompetenzzentrum für mRNA-Wirkstoffe bringt WACKER eine Zukunftstechnologie nach Halle“, versprach Melanie Käsmarker, Geschäftsführerin der WACKER Biotech GmbH anlässlich des Spatenstichs am Weinbergcampus.
Teil 5
Energiebranche treibt die Entwicklung
Die klimaneutrale Transformation der Schlüsselindustrien in Sachsen-Anhalt benötigt den raschen Ausbau regenerativer Energien. Bis 2032 müssen deshalb in Sachsen-Anhalt 2,2 Prozent der Landesfläche für Windkraft zur Verfügung stehen.
In Sachsen-Anhalt drehten sich Mitte Februar laut Bundesnetzagentur 2.807 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von etwa 5.347 Megawatt. Damit arbeiten in Sachsen-Anhalt deutlich mehr Anlagen als in Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung des Landes liegt bei rund 62 Prozent. Die meisten Windräder rotieren im Landkreis Börde, gefolgt vom Salzlandkreis und dem Landkreis Stendal. Bei den im ersten Quartal 2023 erteilten Genehmigungen für geplante Windenergieanlagen steht Sachsen-Anhalt mit 24 Anlagen ebenfalls gut da.
Das Land ist aber nicht nur Produzent grüner Energie, sondern auch eine wichtige Durchgangsstation für den Stromtransport in den Süden Deutschlands. Am Umspannwerk Wolmirstedt wird aktuell etwa der erste Konverter für den SuedOstLink (SOL) gebaut, eines der wichtigsten Netzausbauprojekte für die Energiewende in Deutschland.
Die Mercer Stendal GmbH betreibt im Norden des Landes nicht nur eines der modernsten Zellstoffwerke im Land, sondern am Standort Arneburg auch das größte Kraftwerk für Biomasse in Deutschland. Nirgendwo in Deutschland kommen erneuerbare Energien in der industriellen Produktion deshalb so stark zum Einsatz wie im Landkreis Stendal. Denn das Biomassekraftwerk des Unternehmens versorgt nicht nur das Zellstoffwerk mit nachhaltiger Energie, sondern auch weitere Unternehmen und Haushalte in der Region.
Im Salzlandkreis wird derweil das bislang größte Batteriespeicherwerk Europas in Angriff genommen. Das deutsch-norwegische Unternehmen ECO STOR bringt dafür 250 Millionen Euro auf. Der Baustart soll 2024 erfolgen. Das Speicherwerk wird insgesamt über 300 Megawatt Leistung und 600 Megawattstunden Speicherkapazität verfügen.
Die TESVOLT AG, einer der Technologieführer für Energiespeicherung im gewerblichen und industriellen Sektor, hat ihren Stammsitz in der Lutherstadt Wittenberg. Dort baut das Unternehmen eine neue Gigafactory mit einem Produktionsgebäude für Batteriespeicher sowie einem neuen Forschungs- und Entwicklungszentrum.
Vom Ende der Braunkohleförderung ist Sachsen-Anhalt nicht im selben Umfang betroffen wie die brandenburgische und sächsische Lausitz. Dennoch muss auch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) in Zeitz neue Geschäftsfelder erschließen. Das Unternehmen wird in den kommenden zehn Jahren 500 Millionen Euro in den grünen Umbau seiner Geschäftstätigkeit investieren.
So laufen bereits Projekte für den Ausbau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen auf den rekultivierten Flächen der Braunkohletagebaue. Auch im Wasserstoffzeitalter soll die Region eine führende Rolle spielen, mit dem im Aufbau befindlichen Wasserstoff-Cluster Burgenlandkreis sowie dem geplanten Groß-Elektrolysestandort der MIBRAG in Profen. „Gerade für die Strukturwandelregion im Süden des Landes ist die Produktion und Nutzung von klimaneutralem Wasserstoff ein wichtiger Ansatz für Wertschöpfung und Arbeitsplätze“, so Wissenschafts- und Energieminister Dr. Armin Willingmann.
Nicht alles läuft allerdings nach Plan: Das Solarunternehmen Meyer Burger will künftig seine Hochleistungs-Solarzellen im US-Bundesstaat Colorado produzieren und legt den geplanten Produktionsausbau in Bitterfeld-Wolfen zunächst auf Eis. Damit hat die Diskussion um bessere Investitionsbedingungen in den USA auch den Standort Sachsen-Anhalt erreicht. Meyer Burger hatte mit der Rückkehr ins einstige Solar Valley die Hoffnung auf ein Wiederaufblühen des Landes als Standort für die Solarindustrie befeuert.
Zumindest in Sachen Technologie und Innovation ist Sachsen-Anhalt in der Solarindustrie weiter führend. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle (Saale) haben beispielsweise erfolgreich eine Prozesskette entwickelt, um zum ersten Mal aus gebrauchten PV-Modulen solartaugliches Silizium zurückzugewinnen. Das Verfahren ist ein wichtiges Projekt der Energiewende und der Kreislaufwirtschaft.
Teil 6 Logistik-
Logistik rollt im Land – Automotive und Maschinenbau im Wandel –
Nicht zuletzt seiner Lage an wichtigen West-Ost und Nord-Süd-Achsen geschuldet, zieht Sachsen-Anhalt auch die großen Unternehmen der Logistik-Branche an. Daimler Truck baut für die weltweite Ersatzteilversorgung von Mercedes-Benz-Lkw in Halberstadt einen komplett neuen Logistikstandort. Die Inbetriebnahme soll ab 2025 erfolgen. Der Standort bedient dann rund 20 regionale Logistikzentren weltweit. Das US-Unternehmen Avnet investiert unterdessen in Bernburg in ein Distributionszentrum für elektronische Bauteile. Schrittweise soll es 2024 in Betrieb genommen werden. Avnet will täglich bis zu 19.000 Pakete an seine mehr als 30.000 Kunden weltweit ausliefern.
Das westfälische Familienunternehmen FIEGE wiederum errichtet sein neues Logistikzentrum in Barleben. Dort entsteht ein Multi-User-Standort für den Geschäftsbereich Healthcare mit 42.000 Quadratmeter Logistikfläche. Und auch der Logistiker Rhenus Warehousing Solutions aus Nordrhein-Westfalen wird in Sülzetal eine mehr als 70.000 Quadratmeter große Gewerbefläche beziehen.
Automotive und Maschinenbau im Wandel
Das sich abzeichnende Verbot des Verbrennungsmotors trifft auch Sachsen-Anhalt, ein Standort für Zulieferer der Autoproduktion in Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. In Sachsen-Anhalt werden Komponenten für Verbrenunnungsmotoren oder Maschinen und Werkzeuge für die Automobilindustrie hergestellt. Sachsen-Anhalts größter Automobilzulieferer, die IFA Group aus Haldensleben, etwa ist Spezialist für Längswellen für heck- und allradangetriebene Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor und muss künftig auf von der Antriebsart unabhängige Seitenwellen umstellen. Auch LMG Manufacturing aus Hoym im Salzlandkreis fertigt Aluminium-Druck-Gussteile für die Automobilindustrie, die künftig speziell auf E-Autos zugeschnitten sein sollen. Schließen will hingegen bis Ende 2024 der Autozulieferer Magna sein Werk in Sandersdorf-Brehna.
Doch auch an der Zukunft der Automobilindustrie wird in Sachsen-Anhalt gearbeitet. Im Gewerbegebiet Ostfalenpark wurde gerade der Grundstein für ein neues Forschungszentrum gelegt: Im Center for Method Development CMD werden bis zu 50 Ingenieurinnen und Ingenieure verschiedener Fakultäten neue Verfahren für die nachhaltige Mobilität entwickeln. Ziel ist es, die Entwicklungszeiten nachhaltiger Antriebsformen deutlich zu verkürzen und neuartigen Fahrzeugkonzepten einen schnelleren Zugang zum Markt zu ermöglichen.
Die Betriebe des Maschinenbaus bleiben ebenfalls wichtige Arbeitgeber im Land, auch wenn Magdeburg heute nicht mehr als Zentrum des Schwermaschinenbaus fungiert. Mittlerweile liegt die Branche mit 15.000 Beschäftigten eher im Mittelfeld der deutschen Maschinenbaustandorte. Kompetenzen besitzen die Maschinenbauer an Elbe und Saale im Bau von Präzisions- und Werkzeugmaschinen, von Hebezeugen und Fördermitteln sowie Pumpen und Kompressoren. In Calbe unterhält die Doppstadt Calbe GmbH mit 450 Beschäftigten einen der größten Produktionsstandorte für Recyclingmaschinen. Laempe Mössner Sinto in Barleben ist weltweit einer der führenden Anbieter für gießereitechnische Lösungen in der Kernfertigung und die FAM Gruppe in Magdeburg ist ein Komplettanbieter von Schüttgutumschlags- und Aufbereitungsanlagen, die im letzten Jahr von der westfälischen Beumer Group übernommen wurde.
Der Beitrag #2 21.09.2023 W+M-Länderreport Sachsen-Anhalt erschien zuerst auf Wirtschaft und Markt.