Berlin ist nicht mehr arm und sexy, sondern wirtschaftlich im Aufwind. So oder ähnlich konnte man es immer wieder hören. Grund dafür ist der kontinuierliche Anstieg der Wirtschaftsleistung seit 2014, der über dem Bundesdurchschnitt liegt. Das Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat dies etwas genauer betrachtet. Fazit: Der Aufholprozess ist im Gange, aber ganz langsam.

Wir zitieren aus dem IW-Beitrag:

Neue IW-Berechnungen zeigen, dass Berlin im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten immer noch hinterherhinkt: Streicht man Berlin und all seine Einwohner aus der gesamtdeutschen Statistik, würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf nur um rund 0,2 Prozent niedriger ausfallen. Zum Vergleich: Müssten die Franzosen auf ihre Hauptstadtregion Île-de-France verzichten, fiele das BIP pro Kopf um gute 15 Prozent niedriger aus. Am schlimmsten träfe es die Bulgaren, denn ohne die Region um Sofia läge das BIP je Einwohner um satte 29 Prozent niedriger. Berlin belegt damit im internationalen Vergleich den letzten Platz.

Auch sonst ein Nachzügler

Dass die Hauptstadt mittlerweile eine höhere Wirtschaftsleistung hat als der Rest der Republik, ist für die neue Regierung aber kein Grund zur Entspannung. Andere wirtschaftliche Kennzahlen sind ebenfalls von enormer Bedeutung und betreffen die Bürger vor Ort direkt: So ist die Arbeitslosenquote in der Hauptstadt mit 9,1 Prozent höher als im Rest der Republik (5,7 Prozent) – nur Bremen trifft es mit 10,5 Prozent noch schlechter. Die Armutsgefährdungsquote liegt mit 19,6 Prozent ebenfalls deutlich über dem Bundesschnitt. Zudem sind rund 26.000 Menschen in Berlin wohnungslos.

Berlin kassiert im Länderfinanzausgleich

Mit steigender Wirtschaftskraft wachsen auch die Steuereinnahmen von Berlin. 2021 lag das pro Kopf Steueraufkommen rund sechs Prozent über dem Bundesschnitt. Und obwohl die Hauptstadt gut gefüllte Staatskassen hat, steht sie mit insgesamt 5,2 Milliarden Euro nach wie vor im jährlichen Länderfinanzausgleich an der Spitze der Empfängerländer. Der Grund: Die sogenannte „Einwohnerveredelung“. Berlin werden dabei mehr Einwohner zugerechnet, als dort tatsächlich leben. Insbesondere Stadtstaaten werden so gezielt arm gerechnet, um dafür Rechnung zu tragen, dass hier wichtige Dienstleistungen, auch für das Umland angeboten werden – dazu gehört auch der Betrieb von Museen, Theatern oder Opern. Außerdem fallen in Stadtstaaten grundsätzlich höhere Kosten für ÖPNV, die innere Sicherheit oder die Sozialausgaben an. Bis Berlin zu einem wirtschaftlichen Zugpferd wird, wie es die Hauptstädte der Nachbarländer längst sind, dürften noch viele Jahre vergehen.

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