DIW Berlin erhöht Prognose für Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 0,3 Prozent – Zuwachs von 1,3 Prozent für 2025 erwartet – Kauflaune der privaten Haushalte verbessert sich – Restriktive Finanzpolitik belastet – Weltwirtschaft wächst mit Unterstützung der fortgeschrittenen Volkswirtschaften
Die deutsche Wirtschaft berappelt sich – wenn auch nur langsam. Nach der aktuellen Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) wird die konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr stetig an Dynamik gewinnen, wobei sich der private Konsum zur treibenden Kraft für den Aufschwung entwickelt. Im kommenden Jahr geht es weiter bergauf. Wird das Wachstum für 2024 mit wohl 0,3 Prozent noch mager ausfallen – wenngleich besser als noch im Frühjahr erwartet –, dürfte sich der Aufholprozess in der Folge beschleunigen, so dass für 2025 ein solides Plus von 1,3 Prozent in Aussicht steht.
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Vom Sparen zurück zum Konsum
Für einen guten wirtschaftlichen Start ins laufende Jahr sorgten starke Exporte und überdurchschnittliche Bauinvestitionen. Der private Konsum erlitt im Auftaktquartal hingegen einen Dämpfer, obwohl die Verbraucher*innen ein Plus im Portemonnaie verzeichneten. Steigende reale Einkommen infolge solider Tarifsteigerungen und höherer Transferzahlungen, ein robuster Arbeitsmarkt und die entschleunigte Inflation stärkten die Kaufkraft. Statt mehr auszugeben, wurde aber wegen anhaltender Unsicherheit über die eigene wirtschaftliche Situation vor allem bei Lebensmitteln, Getränken, Tabak und Kleidung geknapst und Geld – sofern vorhanden – eher auf die hohe Kante gelegt.
„Inzwischen dürften die privaten Haushalte mehr Einkommenssicherheit verspüren“, so DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. „Für den privaten Konsum stehen alle Zeichen auf Grün, so dass er zum wichtigsten Treiber des Wachstums werden dürfte.“ Nach den Einmalzahlungen in vielen Branchen werden auf Dauer Tariferhöhungen wirksam, die die Einkommenssicherheit stärken und mehr Lust auf Konsum machen. Auch einkommensschwache Haushalte dürften höhere Einkommen zur Verfügung haben. Die Inflationsrate sinkt und nähert sich der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Die Zinswende der EZB könnte zudem mittelfristig der Sparneigung etwas entgegenwirken.
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Aufschwung im Außenhandel eingeläutet
Die Investitionen werden voraussichtlich zunächst keinen größeren Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Nach dem starken Jahresbeginn bei den Bauinvestitionen dürfte vor allem der Wohnungsbau erst einmal wieder zurückgehen. Der Wiederaufbau nach dem jüngsten Hochwasser in Süddeutschland wird sich den DIW-Konjunkturforscher*innen zufolge nicht maßgeblich in zusätzlichen Investitionen niederschlagen.
Auch die Ausrüstungsinvestitionen erholen sich derzeit nur langsam. Im weiteren Prognoseverlauf hellen sich die Aussichten für die Industrie auf. Belebend auswirken dürfte sich die wachsende Auslandsnachfrage. Deutsche Exportunternehmen profitieren davon, dass sich die Industrieproduktion rund um den Globus, begünstigt durch die Zinswenden der großen Zentralbanken, erholt. Dies dürfte auch die privaten Ausrüstungsinvestitionen beleben, wenn Unternehmen in Erwartung steigender Umsätze ihre Kapazitäten ausweiten. Impulse dürften aber insbesondere vom Staat ausgehen: So werden im Prognosezeitraum wohl aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr vermehrt Mittel für Militärausgaben abgerufen.
Gerade im Dienstleistungssektor, der sich besser entwickelt als die Industrie, dürfte auch die Fußball-Europameisterschaft der Männer für positive Impulse sorgen. Neben dem Gastgewerbe werden vermutlich auch Konsumgüterhersteller profitieren. „Ein konjunkturelles Sommermärchen ist allerdings nicht zu erwarten“, erläutert Dany-Knedlik.
DIW-Präsident Fratzscher: „Wirtschaftswende“ mit Schuldenbremse kaum möglich
Voraussetzung für die von der Bundesregierung versprochene „Wirtschaftswende“ wäre ein finanzpolitischer Kurswechsel. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen, in denen die deutsche Volkswirtschaft deutlich unter ihrem Potenzial bleibt, wäre eine expansive Finanzpolitik notwendig, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen und permanenten Schaden zu verhindern“, sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Dies erfordere finanzielle Entlastungen für Bürger*innen und Unternehmen, genauso wie deutlich stärkere öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Innovationen. Der Haushalt 2024 bremse jedoch die Wirtschaft. Die massiven Einsparungen im Bundeshaushalt 2025 dürften dies noch verstärken und damit die Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. „Dies ist einmal mehr ein Beleg, dass die Schuldenbremse zu einem erheblichen wirtschaftlichen Problem für Deutschland geworden ist. Dabei hätte die Bundesregierung mit dem Krieg in der Ukraine eine mehr als legitime Begründung für eine wirtschaftliche Notlage, die eine Ausnahme von der Schuldenbremse rechtfertigen würde“, so Fratzscher. Es bleibe zu hoffen, dass die Bundesregierung von ihrem Sparkurs abrücke.
Weltwirtschaft mit soliden Wachstumsraten
Die Weltwirtschaft entwickelt sich derzeit vor allem dank der wachsenden Binnennachfrage in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften besser als erwartet. In den Schwellenländern geht die Dynamik derzeit nur von Indien und China aus. Während der Aufschwung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften vor allem durch die Entwicklung im Euroraum etwas an Fahrt gewinnt, ist in den Schwellenländern im zweiten Quartal dieses Jahres mit einer leichten Abkühlung zu rechnen. Alles in allem dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,7 Prozent und 2025 um 3,6 Prozent wachsen.
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