Am 09. Juli 2024 finden in Deutschland die Wahlen zum zehnten Europäischen Parlament statt. W+M hat Abgeordnete, die Ostdeutschland vertreten, gebeten zu berichten, was Sie in der aktuellen Legislaturperiode für Ihr Bundesland erreicht haben und auf welche Schwerpunkte sich das nächste Parlament konzentrieren sollte.
Heute fragen wir Karolin Braunsberger-Reinhold.
Braunsberger-Reinhold. Foto: Europäisches Parlament
Karolin Braunsberger-Reinhold
Mitglied der CDU (Fraktion der EVP)
Geboren 1986 in Wolfen
Ausbildung zur Steuerfachangestellten
Studium Bildungswissenschaften (Bachelor) sowie Betriebliche Berufsbildung und Bildungsmanagement (Master)
Büroleiterin des Bürgermeisters der Gemeinde Barleben (2018-2021)
seit Okt. 2021 Mitglied des Europäischen Parlamentes
einzige direkt gewählte Europaabgeordnete aus Sachsen-Anhalt
Mitglied der Ausschüsse für Verkehr und Tourismus (TRAN) sowie Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)
Stellvertreterin im Ausschuss für regionale Entwicklung (REGI) und Petitionen (PETI)
u.a. Berichterstatterin der EVP-Fraktion für eine Verordnung zur Übertragung von Verfahren in Strafsachen
keine Neukandidatur 2024
Welche Ergebnisse haben Sie in der aktuellen Legislaturperiode für Ihr Bundesland erzielt? Worauf sind Sie besonders stolz?
Als ich im Oktober 2021 Mitglied des Europaparlaments wurde, kämpften Deutschland und die Europäische Union noch mit den Spätfolgen der Covid19-Pandemie. Und wenige Monate später kam mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine neue Herausforderung hinzu. Die Folgen dieser beiden Ereignisse beschäftigen uns im Europäischen Parlament bis heute – einschließlich der finanziellen Herausforderungen z.B. für die Integration von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die Unterstützung unserer Unternehmen sowie einer massiven Verstärkung der Bereiche Sicherheit und Verteidigung.
Mir selbst ist es wichtig, als Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt meinem Heimatland, seinen BürgerInnen und den besonderen ostdeutschen Interessen im Europaparlament eine hörbare Stimme zu geben. Denn nicht nur die jüngsten Bauernproteste oder die hohen Umfragewerte der AfD zeigen, dass wir drei Jahrzehnte nach der Deutschen Einheit noch immer nicht von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West sprechen können. Da müssen wir als Abgeordnete immer wieder Mahner und Interessenvertreter des Ostens in den Parlamenten und der Gesellschaft sein.
Politisch bin ich in meiner Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) und in den Ausschüssen des Parlamentes von Anfang an voll integriert. So habe ich als Berichterstatterin bzw. Schattenberichterstatterin meiner Fraktion drei Berichte des Parlamentes mitverhandelt und so die Position der EU in diesen Bereichen mitgeprägt. Auch die berühmten nächtlichen Brüsseler Verhandlungsrunden zwischen Parlament und den Mitgliedstaaten gehörten mit dazu.
Natürlich bin ich stolz, dass wir mit maßgeblicher Förderung der EU die größte Industrieinvestition Deutschlands in meine Heimat Sachsen-Anhalt holen konnten: Trotz vieler Skeptiker auf Bundesebene hat sich der Weltkonzern INTEL entschieden, zwei neue Mega-Fabriken zur Halbleiterherstellung vor den Toren Magdeburgs zu errichten und damit Ostdeutschland als Standort für Zukunftsinvestitionen weiter zu stärken.
Auf welche Schwerpunkte sollte sich das Parlament in der nächsten Legislaturperiode besonders konzentrieren?
Die Zeiten sind weiterhin herausfordernd. Das betrifft auch die Arbeit des Europäischen Parlaments. Wichtig ist bei allen anstehenden Entscheidungen mehr auf die Menschen vor Ort zu achten und diese mitzunehmen. Wir brauchen eine realistische und umsetzbare Gesetzgebung – keine weltfremde Symbolpolitik. Notwendig scheint mir zudem, dass beim Bürokratieabbau den Worten endlich Taten folgen. Das betrifft aber nicht nur Beschlüsse auf europäischer Ebene, sondern auch ihre Überführung in nationale Gesetzgebung und bspw. bei der Ausgestaltung von Förderanträgen und deren Abrechnung auf der Landesebene. Da war besonders Deutschland in den letzten Jahren ein schlechtes Vorbild.
Was die Politikfelder angeht, sehe ich auf europäischer Ebene Handlungsbedarf in den Bereichen Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Es kann nicht sein, dass deutschen und europäischen Firmen mit überbordenden Regelungen das Leben schwer gemacht wird, während die USA, China oder andere Staaten ihrer Wirtschaft und internationalen Investoren mit umfangreichen Förderprogrammen den roten Teppich ausrollen. Auf gleicher Stufe steht der Bereich Sicherheit. Und da meine ich sowohl die innere Sicherheit – also auch die EU-weite Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden – als auch die äußere Sicherheit und die Stärkung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik. Gerade mit Blick auf die zu erwartenden Entwicklungen in den USA scheint dieser Schritt unumgänglich. Aber auch die jüngst angelaufene europäische Mission zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer zeigt, dass Sicherheitsfragen heutzutage ganz direkt unsere Wirtschaft und Gesellschaft betreffen.
Der Beitrag Grüße aus Brüssel von Karolin Braunsberger-Reinhold – EU-Parlamentsabgeordnete aus Ostdeutschland erschien zuerst auf Wirtschaft und Markt.