W+M hat die Wirtschaftsminister der ostdeutschen Länder nach ihren Erwartungen für 2023 gefragt. Wir wollten aber auch wissen, wie das Jahr 2022 verlaufen ist und wie es mit der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren in den Ländern aussieht. Lesen Sie hier die Einschätzung von Wolfgang Tiefensee (SPD), Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg.
W+M: Wie hat sich die Wirtschaft Ihres Bundeslandes im Jahr 2022 entwickelt? Wie stark waren die Beeinträchtigungen angesichts der Krisen?
Wolfgang Tiefensee: Es ist insgesamt nicht so schlimm gekommen, wie viele erwartet hatten. Die Thüringer Wirtschaft ist 2022 noch einmal leicht gewachsen, im Hinblick auf das laufende Jahr ist inzwischen eher von einer konjunkturellen „Seitwärtsbewegung“ die Rede. Die Arbeitslosigkeit ist mit gut fünf Prozent weiterhin niedrig, der Bedarf an Fachkräften hoch. Wir müssen sorgfältig unterscheiden zwischen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, die erfreulicherweise so schlecht nicht ist, und der Situation einzelner Unternehmen, die durchaus von Energiepreisanstiegen, Lieferkettenproblemen und Personalmangel hart getroffen sein können. Für sie haben wir in Thüringen zügig ein Härtefallprogramm auf den Weg gebracht. Vor allem aber unterstützen wir unsere Unternehmen dabei, mittelfristig den Umbau hin zu einer CO2-freien, klimaneutralen Wirtschaft hinzubekommen.
W+M: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien braucht mehr Tempo. Darin sind sich alle einig. Im Jahr 2022 war von mehr Tempo wenig zu spüren, wie sieht es mit der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungszeiten in Ihrem Bundesland aus?
Wolfgang Tiefensee: Wir arbeiten daran. Das Thüringer Kabinett hat zum Beispiel im November die Fortschreibung des Thüringer Landesentwicklungsprogramms beschlossen. Damit werden letztlich mehr Landesflächen als Vorrangflächen für Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt, was den Ausbau beschleunigt. Allerdings muss bedacht werden, dass die meisten als „zu bürokratisch“ erfahrenen Regelungen beim Infrastrukturausbau auf EU- und Bundesrecht zurückgehen. Deshalb muss in erster Linie hier angesetzt werden. Planungs- und Genehmigungszeiten von bis zu 20 Jahren bei Großprojekten und von immer noch vier bis fünf Jahren bei einer Windkraftanlage können wir uns nicht mehr leisten. Der Bau der LNG-Terminals zeigt ja, dass es auch schneller gehen kann, wenn es notwendig ist. Erfreulicherweise hat der Bund gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energien zuletzt viele Verbesserungen auf den Weg gebracht hat, etwa deutlich erweiterte Ausbaukorridore, verbesserte Fördermöglichkeiten und eine Einstufung als „im öffentlichen Interesse liegend“. Das ist ein guter Anfang, weitere Schritte müssen folgen.
W+M: Was muss 2023 unbedingt gelingen?
Wolfgang Tiefensee: Politisch wünschenswert wäre natürlich: die Beendigung des Ukrainekriegs. Ein zentrales Thema für die Wirtschaft ist die Energieversorgung, ein anderes die Fachkräftegewinnung. Bleiben wir bei der Energie: die muss sicher, bezahlbar, aber eben auch sauber sein. Da gibt es inzwischen große Fortschritte, aber leider auch viele Unsicherheiten und hohen Investitionsbedarf für die Unternehmen. Hier versucht der Bund und auch wir als Land, mit entsprechenden Förderangeboten in die Bresche zu springen – ich nenne nur mal den „Dekarbonisierungsbonus“, den wir aufgelegt haben. Unbedingt gelingen sollte uns, bei dem Thema weniger ideologisch zu agieren. Inzwischen bezweifelt doch niemand mehr ernsthaft, dass wir weg müssen von den fossilen Energieträgern. Aber der Umbau erfordert hohe Investitionen, allein auf die Industrie in Thüringen kommen bis 2045 Kosten von bis zu neun Milliarden zu, gleichzeitig fehlt es an Ausbau- und Installationskapazitäten. Das muss erst einmal bewältigt werden, und zwar so, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft nicht zerstören.
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