W+M befragte Kenner der ostdeutschen Wirtschaft zu ihrem Fazit für das vergangene Jahr und mit welchen Erwartungen sie in das neue Jahr gehen. Zukunftslotse Thomas Strobel gab Auskunft.

Mit welchem Fazit beschließen Sie das Jahr 2022?

Für mich war 2022 ein Jahr mit unerwarteten Einschnitten, die uns polit-strategische Nachlässigkeiten der Vergangenheit schmerzhaft vor Augen geführt haben: eine schlecht organisierte Energiewende, extreme Abhängigkeiten unserer Energieversorgung, schwere Defizite in der Bundewehr und eine mangelhafte Außen- und Verteidigungspolitik der EU.

Die Fragilität des langen Friedens in Europa rückte durch die Aggression Russlands schlagartig in den Mittelpunkt unseres Alltags. Eine drohende Energiemangellage konnten wir mit Glück, Geschick und Pragmatismus durch gemeinsame Anstrengungen vermeiden und auch die Wirtschaft hat insgesamt alle zusätzlichen Herausforderungen bisher erfolgreich gemeistert.

Das ändert aus meiner Sicht aber nichts daran, dass wir die Erfahrungen des Jahres 2022 aufarbeiten müssen, um vorausschauend kurz- und mittelfristige Verbesserungen sowie Zukunftslösungen mit den richtigen Prioritäten zu entwerfen und mit gesellschaftlichem Rückhalt auf den Weg zu bringen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2023?

Die deutsche Wirtschaft hat sich trotz Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg bisher als deutlich robuster erwiesen, als uns viele Experten zugetraut hätten. Ich erwarte und wünsche mir für 2023, dass wir in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik Selbstbewusstsein schöpfen, um jetzt auch proaktiv die wichtigen Transformationen anzugehen. Wir brauchen dringend Zukunftsbilder für 2050, damit wir daraus realistische Transformationspläne gewinnen können, die Kreislaufwirtschaft zum Ziel haben und auch zukünftigen Fachkräftebedarf mit zielgerichteter Einwanderungspolitik verbinden. Nur mit Zukunftskonsens können wir für eine Entwicklung Deutschalands bis 2030 die Weichen zielorientiert stellen, damit die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft sowie nachfolgender Generationen glaubwürdig und nachvollziehbar in eine faire, zukunftssichere Balance gebracht werden.

Wir haben jetzt die Chance den reaktiven Wohlstandsverwaltungsmodus der letzten 20 Jahre durch aktive Zukunftsgestaltung zu ersetzen.

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