Ambulanz Mobile baut in Sachsen-Anhalt Spezialfahrzeuge. Die Firma mit etwa 400 Angestellten ist auch international erfolgreich. Aber die aktuellen Herausforderungen sind hoch. Gründer und Geschäftsführer Hans-Jürgen Schwarz appelliert im Interview an die Bundesregierung.
Hans-Jürgen Schwarz, Geschäftsführer Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG, ruft zum Handeln auf. Abbildung: Ambulanz Mobile
ostdeutschland.info: Herr Schwarz, was genau macht Ambulanz Mobile?
Hans-Jürgen Schwarz: Ambulanz Mobile ist ein Aufbauhersteller für verschiedene Spezialfahrzeuge. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau von Krankentransportwagen, Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeugen und Kraftfahrzeugen für mobilitätseingeschränkte Personen.
Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens?
Am 1. Juli 1991 haben wir mit zwei anderen Personen das Unternehmen Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG in Schönebeck gegründet. Der damalige Gründer und Hauptgesellschafter ist im Jahr 2000 ausgeschieden, mein zweiter Partner im Jahr 2011. Nun sind wir ein reines Familienunternehmen: mein Sohn Frank und ich, meine Frau managt die Finanzen. Der Fahrzeugbau war schon immer mein berufliches Lebenselixier, ich war zuvor beim Traktorenwerk in Schönebeck tätig. Deshalb war es nur folgerichtig, dieses Unternehmen zu gründen, allerdings mit völlig neuen Produkten.
Ein Familienunternehmen: Raik Schwarz, Dagmar Schwarz, Hans-Jürgen Schwarz, Frank Lundershausen (v. l. n. r.). Abbildung: Ambulanz Mobile
Wie international sind Sie aufgestellt?
Unsere Exportstrategie innerhalb und außerhalb Europas basiert auf Innovation und auf Produkten mit absoluter Nachhaltigkeit. In Österreich unterhalten wir eine Vertriebsfirma. In Europa haben wir mehrere Partner, die unsere Produkte teilweise montieren und in ihrem jeweiligen Land verkaufen, so zum Beispiel in Ungarn, Slowenien, den Niederlanden, der Schweiz, in Italien und Spanien. Außerhalb Europas, und darauf sind wir besonders stolz, haben wir unter anderem Partner in Abu Dhabi, Singapur, Taiwan, in Neuseeland und in Australien. Hier wollen wir uns noch breiter aufstellen. In vielen Regionen dieser Welt wird unsere Qualität, die Sicherheit unserer Fahrzeuge, unsere Innovation und Nachhaltigkeit geschätzt – man kauft „Made in Germany“.
Kürzlich wurde ein Großauftrag für Abu Dhabi umgesetzt. Abbildung: Ambulanz Mobile
Stichwort Automobilkrise: Welche Entwicklung hat Ambulanz Mobile 2025 genommen?
Die Automobilkrise ist ein mehr als ernstes Thema, und ich merke nicht, dass wir hier aus dieser Krise herauskommen. Was die Entwicklung von Ambulanz Mobile betrifft, so werden wir sowohl unseren Umsatz 2025 als auch den Verkauf von Spezialfahrzeugen noch einmal um knapp zehn Prozent erhöhen. Bedingung ist, dass die Spezialfahrzeuge den Anforderungen des jeweiligen Rettungsdienstes entsprechen und in vielen Punkten, zumindest im Teilbereich, wiederverwendbar sind. Auch die Anzahl der Beschäftigten hat in diesem Jahr um zehn Prozent zugenommen.
Was sind derzeit Ihre größten Herausforderungen?
Ganz klar und deutlich: Der Standort Deutschland ist kostenseitig immer schwerer zu halten. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte geht verloren. Die Einflussnahme der Politik auf Lohn und Gehalt ist da nur ein Punkt. Das größte Problem ist, dass man Unternehmern, die innovativ sind und eigenständig agieren, immer mehr Bürokratismus auferlegt. Hier ist absolut negativ an erster Stelle die EU zu nennen. Wir brauchen Handlungsspielraum, damit Unternehmer wieder Unternehmer sein können. Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung dies nicht nur erkennt, sondern uns auch die nötigen Freiheiten lässt, um die Beschäftigung in den Unternehmen auch noch in den nächsten Jahren zu sichern. Bisher spüren wir Unternehmer allerdings noch nichts. Das Thema Energiepreise ist natürlich genauso zu sehen, auch die Arbeitszeiten in Deutschland und vieles mehr. Bei den Energiekosten und deren Senkung fehlt der Mittelstand. Wir stehen vor einem sehr komplexen und komplizierten Jahrzehnt – das reicht zwar bis weit in die 2030er-Jahre hinein. Es muss aber sofort gehandelt werden.
Wie finden und binden Sie Ihre Mitarbeitenden?
Wir nähern uns einer Mitarbeiterzahl von 400 und drei Kooperationsunternehmen in Schönebeck, die täglich für uns arbeiten, haben fast 100 Gesamtbeschäftigte. Wir machen eine sehr aktive Arbeit in den Schulen, mittlerweile beschäftigen wir 31 junge Menschen in der Ausbildung, davon studieren sieben dual. Einen großen Raum nimmt das Thema Schülerpraktikum ein. Die innovative und abwechslungsreiche Arbeit in der Elektrotechnik/Elektronik findet viele Interessenten. Unsere Mitarbeitenden werden gemäß Tarif und darüber hinaus bezahlt, und es gibt auch leistungsorientierte Prämien. Erwähnen möchte ich außerdem, dass wir den Zusammenhalt zum Beispiel durch ein jährliches Sommerfest und eine Reihe anderer Veranstaltungen fördern. Bei Ambulanz Mobile sollen die Besten arbeiten, weil wir auch die besten Produkte in dieser Branche produzieren.
Seit geraumer Zeit haben wir auch immer mehr Bewerbungen von Fachkräften aus Unternehmen, die in der jetzigen Krisensituation wirtschaftliche Schwierigkeiten haben oder schon in Insolvenz sind. Für Ambulanz Mobile ist das gut, volkswirtschaftlich betrachtet ist das allerdings eine gefährliche Entwicklung.
Was braucht die Wirtschaft in Ostdeutschland jetzt am dringendsten?
Die Kostenbelastung der ostdeutschen Wirtschaft sollte wie auch in Gesamtdeutschland nicht weiter steigen. Wir brauchen Planungssicherheit und den Mut, endlich strukturelle Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel dafür ist die Reglementierung bei der Wochenarbeitszeit. Wenn wir Aufträge haben, hinter denen Liefertermine und in der Folge ggf. Verschiffungstermine stehen, dann ist die starre Höhe der Arbeitszeit kontraproduktiv, denn wir müssen in der Zeit unter Umständen Mehrstunden leisten, die wir dann später wieder abbauen. Ich könnte weitere Beispiele nennen, aber meine Unternehmerkollegen wissen auch, wie diese Reglementierung in vielen Bereichen aussieht.
Die neue Bundesregierung ist nun 200 Tage im Amt. Welches Zeugnis stellen Sie ihr aus?
Herr Merz hat als Bundeskanzler dieses Landes einen Reformherbst angekündigt. Am 21. Dezember haben wir Winter. Was ist für den Mittelstand in Sachen Reformen passiert? Wir müssen endlich verstehen, dass eine Bundesregierung nicht nur weitestgehend im Außenamt tätig sein kann, sondern es um die Menschen und deren Zukunft im Land geht. Ohne funktionierendes Handwerk, ohne Mittelstand und ohne große Unternehmen ist dieses Land nicht mehr finanzierbar. Wir haben keine Zeit mehr. Es müssen Entscheidungen getroffen werden und zwar jetzt!
Fühlen Sie sich eigentlich als Ostdeutscher?
Kurz und knapp – ich bin Gesamtdeutscher. Aber ich sage auch klar: Es kann nicht sein, dass in den Vorständen der 100 größten Unternehmen des Landes so gut wie kein gebürtiger Ostdeutscher sitzt. Hier sehe ich eine Ausgrenzung der Ostdeutschen, die 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Als Ostdeutsche sollten wir selbstbewusster auftreten. Aber wir sind ein Land. Aufhören muss dieses „Na die da drüben.“
Was ist für Sie typisch ostdeutsch?
Wir sind Kämpfer, nicht alle, aber wir müssen weiterkämpfen. Wir müssen unsere Tugenden, wie Improvisieren und lösungsorientiertes Denken, stärker in die Waagschale werfen. Es möchte mir doch jemand mal die Frage beantworten, warum ein ostdeutscher Ingenieur schlechter sein sollte als ein westdeutscher?
Leider habe ich solche Diskussionen schon erlebt, dennoch haben wir uns als Unternehmen durchgesetzt. Die Firma Ambulanz Mobile verfügt über 110 europäische Patente, Marken- und Schutzrechte. Schon aus der Tradition heraus liegt ein Teil der Wiege des Fahrzeugbaus in Ostdeutschland. Und das weit vor dem Zweiten Weltkrieg.
Was man kaum erwartet: Sie haben schon sieben Kinderbücher veröffentlicht. Ist bereits ein achtes geplant?
Ja, das Schreiben von Kinderbüchern ist mein Hobby. Wenn man vier Enkelkinder hat, gibt es immer spannende Themen. Ich bin dabei, mein achtes Kinderbuch abzuschließen. Es erscheint Anfang nächsten Jahres. Kinder erwarten spannende Geschichten, möchten sich auch schon mit Themen wie Umweltschutz, Zusammenhalt und gegenseitiger Hilfe beschäftigen. Jedes meiner Kinderbücher erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern spielt im wahren Leben. Familien sind das Wichtigste, was wir in unserer Gesellschaft haben.
Mit welchen wirtschaftlichen Erwartungen geht Ambulanz Mobile ins nächste Jahr?
Wir wollen im nächsten Jahr knapp 1.300 Spezialfahrzeuge bauen, und wir wollen uns sowohl innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, aber auch – und das mit größerer Intensität – auf den internationalen Märkten stärker bewegen. Die Herausforderung ist, dass nur der Wettbewerb Neues schafft. Und diesen Wettbewerb müssen wir führen.
Sind neue Produkte geplant?
Ja, ein neuer Transporter als vollelektrischer Krankenwagen der neuesten Generation. Darüber hinaus, aber das kann ich hier noch nicht verraten, wird es viele neue Produktüberraschungen geben.
Ambulanz Mobile produziert auch Elektrofahrzeuge. Abbildung: Ambulanz Mobile
Sie sind in der Altmark geboren, Ambulanz Mobile liegt in Sachsen-Anhalt. Dort wird im September 2026 der Landtag gewählt. Wie schauen Sie auf dieses Ereignis?
Ich glaube, hier wird sich entscheiden, wer die besseren Alternativen bietet. Die Menschen haben eine Erwartungshaltung, und hier sollte man den politischen Fokus auf die Kinder in den Kitas, die Schulbildung, auf die Arbeit und die Wertschätzung von Handwerk und Mittelstand legen. Wir brauchen einen klaren Kurs, damit Sachsen-Anhalt mit den vielen, vielen Möglichkeiten, die wir haben, deutlich nach vorn kommt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Robert Nehring.
Hans-Jürgen Schwarz hat bereits sieben Kinderbücher geschrieben. Ein achtes erscheint Anfang 2026. Abbildung: ostdeutschland.info
Der Beitrag „Es muss sofort gehandelt werden!“ Interview mit Hans-Jürgen Schwarz von Ambulanz Mobile erschien zuerst auf ostdeutschland.info.