Dr. Philipp Grunden, Direktor Strategie & Innovation, Rico Chmelik, Geschäftsführer, und Dr. Julia Hünniger, Projektleiterin Personal und Kompetenzentwicklung von automotive thüringen e.V. sind wichtige Impulsgeber für Ostdeutschland. Sie setzen sich ein für Vergewisserung, Verständigung und Versöhnung. Mit diesem Beitrag sind sie auch im zweiten Sammelband „Denke ich an Ostdeutschland …“ vertreten.

Dr. Philipp Grunden, Direktor Strategie & Innovation automotive thüringen e.V., Rico Chmelik, Geschäftsführer automotive thüringen e.V., Dr. Julia Hünniger, Projektleiterin Personal und Kompetenzentwicklung, automotive thüringen e.V. Abbildung: Ulrich Brothagen

Dr. Philipp Grunden, Direktor Strategie & Innovation, Rico Chmelik, Geschäftsführer, Dr. Julia Hünniger, Projektleiterin Personal und Kompetenzentwicklung automotive thüringen e.V. Abbildung: Ulrich Brothagen

Denken wir an Ostdeutschland, dann denken wir an ein Land in Bewegung. Vor unserem inneren Auge erscheinen kurvenreiche Straßen durch den Thüringer Wald, das Panorama der Wartburg – und Motorenklänge, die seit über einem Jahrhundert aus Thüringen ertönen. Thüringen? Ja, das grüne Herz Deutschlands ist zugleich ein Herz der Automobilindustrie – mit einer über 120-jährigen Automobiltradition und einer beeindruckenden Entwicklung hin zum Innovationsstandort der Mobilität. Dieser Mix aus Geschichte und Hightech, aus Emotion und Präzision, macht Thüringen heute zu einem Motor der Mobilität im Osten Deutschlands. Thüringen hat über Generationen hinweg automobiles Know-how aufgebaut. Von der Schraube bis zum Scheinwerfer, vom Getriebe bis zur Innenausstattung – das Auto steckt in Thüringens DNA. Diese Tradition schafft Vertrauen und ist gleichzeitig Sprungbrett in die Zukunft.


Die ostdeutschen Bundesländer – mit Thüringen als starkem Zulieferstandort – sind Vorreiter bei der Transformation zur E-Mobilität.”


Automobilzuliefer-Standort Thüringen

Der Freistaat Thüringen hat sich zu einem leistungsstarken Standort der Automobilzulieferindustrie entwickelt. Überwiegend Zulieferer, vom Hersteller der Spezialschraube bis zum Produzenten ganzer Karosserieteile, decken hier nahezu die gesamte automobile Wertschöpfung ab. Wenig bekannt ist, dass Thüringens Zulieferer über zahlreiche technologische „Leuchttürme“ verfügen, also Produkte und Leistungen, die weltweit Spitze sind und im globalen Wettbewerb für Aufsehen sorgen. Thüringer Unternehmen mischen in der automobilen Champions League mit, etwa durch folgende Highlights:

  • Erste Batteriezellfertigung in Deutschland: In Thüringen entstand die erste Batteriezellfertigung Deutschlands – das chinesische Unternehmen CATL betreibt bei Erfurt eine Gigafactory, die Lithium-Ionen-Zellen in Massen fertigt.
  • Motorenschmiede für Mercedes: Thüringen beherbergt den größten Motorenstandort von Mercedes Benz – hier wird ein großer Teil aller Benz-Motoren weltweit gebaut. Ein beachtlicher Beitrag aus Ostdeutschland zur Welt der Premium-Autos.
  • Bosch und Hightech-Sensoren: Der größte Bosch-Standort in Ostdeutschland steht in Thüringen. Hier laufen hochmoderne Sensorsysteme vom Band, die zum Beispiel in Airbags, ESP und Assistenzsystemen unverzichtbar sind.
  • Luxus aus Thüringen – Rolls-Royce und Bugatti: Strukturteile aus Aluminium für die edlen Motoren von Rolls-Royce entstehen in Thüringen, ebenso Doppelkupplungen für den Bugatti Chiron. Selbst im absoluten Luxus- und Performance-Segment vertraut man auf Thüringer Ingenieurskunst.
  • Interieur für Lamborghini und Bentley: Interieur-Module, etwa Türverkleidungen und Instrumententafeln, für Premium-SUVs wie Lamborghini und Bentley kommen aus Thüringen. Im Thüringer Wald entsteht also mit, was in den Luxuskarossen dieser Welt verbaut wird.
  • Größtes Leichtmetallräder-Werk: In Thüringen steht das größte Werk für Leichtmetall-Räder in Europa. Hier werden Tag für Tag tausende Aluminiumräder produziert – leicht, stabil, chic –, die vielen Automodellen sprichwörtlich Rollen verleihen.
  • Weltmarktführer bei Federn und Wellen: Thüringer Hersteller sind Weltmarktführer bei Fahrwerksfedern und bei Ausgleichswellen. Diese unscheinbaren Teile sind für Fahrkomfort und Laufruhe entscheidend. Thüringen setzt hier global den Maßstab.
  • Technologieführer in Nischen: Ob Linsen für Autoscheinwerfer (für modernste LED- und Laserlichtsysteme), umschaltbare Sichtschutzfilter für Displays (damit zum Beispiel Beifahrer Displays nur sehen, wenn erlaubt), keramische Sensoren oder Luftgütesensoren für die Klimasteuerung – Thüringer Unternehmen haben in solchen Spezialfeldern die Nase vorn.
  • E-Mobilitätstest aus Thüringen: Für den Porsche Taycan kommen die Prüfsysteme für Vernetzungstests von einem Thüringer Anbieter. Hightech-Equipment aus Thüringen sorgt also mit dafür, dass die Elektrosportwagen zuverlässig funktionieren.
  • Zukunftsprojekt Elektromobilität bei VW: Für die neueste Generation von VW-Elektrofahrzeugen liefert ein Thüringer Unternehmen Strukturbauteile zu. Damit fließt Thüringer Know-how direkt in die E-Autos, die demnächst überall auf den Straßen zu sehen sind.
  • Mikrochips aus Thüringen in jedem Auto: Mindestens zehn integrierte Schaltkreise pro Fahrzeug stammen von einem Thüringer Halbleiterhersteller. Mit anderen Worten: In praktisch jedem modernen Auto steckt ein Stückchen Erfurt oder X-Fab & Co.

Diese Beispiele untermauern die enorme Leistungsfähigkeit und Zukunftspotenz der Thüringer Zulieferindustrie. Von Elektromobilität über Leichtbau bis Sensorik – überall mischen Firmen aus dem Freistaat mit. Es zeigt sich auch: Die oft mittelständisch geprägte Struktur ist kein Hindernis, sondern kann sogar ein Wettbewerbsvorteil sein. Denn kleinere, hochspezialisierte Unternehmen reagieren flexibel, besetzen Nischen und kooperieren in Netzwerken, um gemeinsam Großes zu leisten.

Rico Chmelik (rechts) mit Marquardt-Chef Timo Drescher im Werk Ichtershausen in der Montage für Batteriemanagementsysteme. Abbildung: Mario Hochhaus

Rico Chmelik (rechts) mit Marquardt-Chef Timo Drescher im Werk Ichtershausen in der Montage für Batteriemanagementsysteme. Abbildung: Mario Hochhaus

Gründung und Entwicklung

Das Netzwerk automotive thüringen e.V. wurde mit dem Ziel gegründet, diese Kompetenzen der Automobilzulieferindustrie im Freistaat Thüringen zu bündeln, zu vernetzen und zukunftsfähig weiterzuentwickeln. In einer Region mit über einem Jahrhundert Automobiltradition und tief verwurzeltem technischem Know-how sehen wir unsere Aufgabe darin, den Wandel der Branche aktiv zu begleiten. Heute zählen über 115 Mitgliedsunternehmen mit rund 30.000 Beschäftigten zu unserem Netzwerk. Gemeinsam arbeiten wir daran, Thüringen als leistungsstarken und innovativen Mobilitätsstandort weiter auszubauen.

Was automotive thüringen dabei auszeichnet, ist nicht nur das Netzwerk, sondern auch die Menschen dahinter. Persönlichkeiten wie Rico Chmelik, Philipp Grunden und Julia Hünniger stehen stellvertretend für ein starkes Team, das sich nicht mit Status quo zufriedengibt. Was sie eint: die Fähigkeit, immer wieder die Ist- Situation klar zu analysieren und daraus neue Ideen zu entwickeln. Technisch, unternehmerisch, zwischenmenschlich. Sie bringen Menschen zusammen, übersetzen Trends in konkrete Projekte und denken Wandel nicht als Risiko, sondern als Chance.

Die Geschäftsstelle in Erfurt fungiert dabei als zentrale Schnittstelle, von der aus die vielfältigen Aktivitäten koordiniert werden. Mit kurzen Entscheidungswegen, flachen Hierarchien und einem agilen Mindset setzen wir Impulse, die weit über die Grenzen Thüringens hinauswirken. Wir legen Wert auf ein Arbeitsumfeld, das Flexibilität und Vereinbarkeit ermöglicht, damit jeder im Team seine Stärken einbringen und mitgestalten kann.

Als Netzwerk sind wir Impulsgeber, Koordinator und Interessenvertretung zugleich. Wir schaffen Verbindungen zwischen Industrie, Forschung und Politik, fördern Kooperationen und bringen Wissen in die Fläche. In Projekten wie „Interior Hub for Sustainable Mobility“ (InSuM) oder „Berufliche Bildung erneuern für die automobile Transformation“ (BeaT) unterstützen wir Unternehmen dabei, neue Märkte zu erschließen und ihre Mitarbeitenden fit für die Zukunft zu machen.

Thüringen ist zwar kein OEM-Land im klassischen Sinne, aber gerade das hat Raum für eine agile, mittelständisch geprägte Zulieferlandschaft geschaffen. Vom Aluminiumstrukturteil für den Bugatti bis zum Sensor für den Porsche Taycan – Thüringer Unternehmen stehen für Qualität, Innovationskraft und Nischenführerschaft. Unsere Mitglieder sind ein Rückgrat der ostdeutschen Automobilwirtschaft.

Gießerei von Borbet Felgen in Thüringen. Abbildung: Wolfram Schroll

Gießerei von Borbet Felgen in Thüringen. Abbildung: Wolfram Schroll

Unser Bezug zu Ostdeutschland

Thüringen liegt im Herzen Deutschlands – und im Herzen Ostdeutschlands. Die Transformation der ostdeutschen Automobilwirtschaft ist eine Erfolgsgeschichte, zu der wir als Netzwerk einen entscheidenden Beitrag leisten. Unsere Region zeigt, dass industrieller Strukturwandel mit Mut, Vernetzung und Know-how gelingen kann: Wo einst Textilmaschinen oder Gummirollen gebaut wurden, entstehen heute Hightech-Komponenten für Elektrofahrzeuge und Sensorik für automatisiertes Fahren.

Die ostdeutschen Bundesländer – mit Thüringen als starkem Zulieferstandort – sind Vorreiter bei der Transformation zur E-Mobilität: von der Batteriezellfertigung über Halbleiter-Cluster bis hin zu autonomen Fahrsystemen. Wir sehen diese Entwicklung nicht nur als wirtschaftliche Chance, sondern auch als gesellschaftliche Aufgabe. Sie sichert Arbeitsplätze, schafft neue Perspektiven und bringt Zukunft in die Region.

Ostdeutschland unterscheidet sich in vielen strukturellen Punkten vom Westen: kleinere Unternehmen, weniger OEMs, andere wirtschaftshistorische Prägung. Diese Unterschiede sind zugleich unsere Stärke. Die mittelständische Struktur unserer Mitgliedsunternehmen macht sie flexibel, innovationsbereit und kooperationsfähig. Gleichzeitig sind Investitionen in Weiterbildung, Infrastruktur und Digitalisierung essenziell, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Unsere Vision für die Zukunft

Wir glauben an eine Zukunft, in der Thüringen nicht nur Zulieferland, sondern Mobilitätsgestalter ist. Unser Ziel ist es, die Kompetenzen unserer Unternehmen weiter zu vernetzen, Talente in der Region zu halten und die Innovationskraft Ostdeutschlands sichtbar zu machen. Dabei bleiben wir unserer Leitidee treu: „Die automobile Zukunft gemeinsam gestalten.“

Thüringen ist für uns nicht nur ein Ort mit Vergangenheit, sondern ein Standort mit Weitblick. Vom Wartburg bis zum Wasserstoffantrieb, von Simson bis zur Smart Factory – unser Unternehmen gestaltet aktiv die nächste Ära der Mobilität. Ostdeutschland ist dabei nicht länger Nachzügler, sondern Vorreiter. Und wir sind mittendrin.


Label Impulsgeber Ost

Automotive Thüringen e.V.

GEGRÜNDET: 2000/Erfurt
STANDORT: Erfurt
MITARBEITENDE: 6
WEBSITE: automotive-thueringen.de

 


Label Impulsgeber Ost

Rico Chmelik

GEBOREN: 1983/Jena
WOHNORT (aktuell): Erfurt
MEIN BUCHTIPP: Armin Hermann: „Und trotzdem Brüder“, 2002
MEIN FILMTIPP: „Ballon“, 2018
MEIN URLAUBSTIPP: Thüringer Wald und Viernau

 


Label Impulsgeber Ost

Dr. Philipp Grunden

GEBOREN: 1987/Ahaus
WOHNORT (aktuell): Erfurt
MEIN BUCHTIPP: „Warten auf’n Bus“, 2020
MEIN FILMTIPP: „Das Leben der Anderen“, 2006
MEIN URLAUBSTIPP: Sternenpark Rhön

 


Label Impulsgeberin Ost

Dr. Julia Hünniger

GEBOREN: 1984/Jena
WOHNORT (aktuell): Erfurt
MEIN URLAUBSTIPP: Weimarer Land

 

 

 

Denke ich an Ostdeutschland ... Band 2BUCHTIPP:

„Denke ich an Ostdeutschland …“

In der Beziehung von Ost- und Westdeutschland ist 35 Jahre nach dem Mauerfall noch ein Knoten. Auch dieser zweite Sammelband will einen Beitrag dazu leisten, ihn zu lösen. Die weiteren 60 Autorinnen und Autoren geben in ihren Beiträgen wichtige Impulse für eine gemeinsame Zukunft. Sie zeigen Chancen auf und skizzieren Perspektiven, scheuen sich aber auch nicht, Herausforderungen zu benennen. Die „Impulsgeberinnen und Impulsgeber für Ostdeutschland“ erzählen Geschichten und schildern Sachverhalte, die aufklären, Mut machen sowie ein positives, konstruktiv nach vorn schauendes Narrativ für Ostdeutschland bilden.

„Denke ich an Ostdeutschland … Impulse für eine gemeinsame Zukunft“, Band 2, Frank und Robert Nehring (Hgg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2025, 224 S., DIN A4.

Als Hardcover und E-Book hier erhältlich.

 

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