Das BMW-Werk Leipzig ist mit seinen 8.000 Beschäftigten der jüngste und modernste Produktionsstandort der BMW Group in Deutschland. W+M sprach mit der Werkleiterin Petra Peterhänsel über die Entwicklung des Werkes, das die Geburtsstätte der E-Mobilität bei BMW ist, weil hier bereits 2013 der erste Stromer von BMW, der i3, produziert wurde.
W+M: Frau Peterhänsel, Sie sind Zeit Ihres Arbeitslebens in der Automobilbranche. Sind Sie eine Autofrau?
Petra Peterhänsel: 2022 bin ich seit 40 Jahren in der Automobilbranche. Gelernt habe ich in meinem Geburtsort Eisenach noch bei Wartburg, war dann eine der ersten 200 Mitarbeiter bei Opel Eisenach und habe die Gelegenheiten genutzt, mich weiterzuentwickeln. Für Opel und GM war ich drei Jahre in Polen, danach vier Jahre in Russland, dann in Belgien und schließlich wieder in Deutschland. Nach einem Ausflug zu MAN München habe ich dann 2012 bei BMW begonnen und bin nun seit Januar 2022 Leiterin BMW Group Werk Leipzig. Insofern bin ich schon eine Autofrau und habe auch, wie man so sagt „Benzin im Blut“. Ich bin überzeugt von den effizienten Motoren, die BMW baut, stehe aber auch unseren E-Modellen positiv gegenüber. Immerhin ist die Nachfrage danach sehr groß und unser Ziel es, bis 2030 mindestens 50 Prozent unserer Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben zu versehen.
W+M: Was zeichnet den BMW-Standort Leipzig aus?
Petra Peterhänsel. Foto: BMW Group
Petra Peterhänsel: Grundsätzlich haben wir bei BMW ein einheitliches Produktionssystem und auch eine einheitliche weltweite Unternehmenskultur. Da unterscheiden sich die Werke nur in Nuancen.
Leipzig ist das jüngste und modernste BMW-Werk in Deutschland und es ist auch die Geburtsstätte der E-Mobilität. Wir sind hier in Leipzig Pioniere der E-Mobilität. In jedem auf der Straße fahrenden Mini, BMW oder auch Rolls-Royce mit E-Antrieb steckt ein wenig Leipzig, weil wir hier 2013 mit der Produktion des i3 begonnen haben.
W+M: Welche Möglichkeiten haben Sie innerhalb des Konzerns neue Ideen einzubringen, die das Werk Leipzig betreffen?
Petra Peterhänsel: Wir mischen schon kräftig mit. Wir haben unsere Werksstrategie, die ständig weiterentwickelt wird. In dieser Strategie stellen wir uns konkrete Ziele, wie wir das Werk künftig aufstellen wollen. Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit sind hier die Stichworte. Diese Ideen geben wir dann als Angebote an die Zentrale weiter. Wir sind innovationshungrig.
Foto: BMW AG / Fotograf: Martin Klindtworth
W+M: Inwieweit machen sich Lieferengpässe und Energiepreiseentwicklung bei Ihnen bemerkbar?
Petra Peterhänsel: Wir arbeiten in zwei Schichten und hatten schon Anfang des Jahres hin und wieder Schwierigkeiten mit einzelnen Bauteilen. In den vergangenen Monaten haben wir uns aber stabilisieren können.
Unser Vorteil ist unsere Flexibilität, auch in der Produktionsplanung. So können wir bis sechs Tage vor Bau des Fahrzeuges das Produktionsprogramm anpassen bzw. die Konfigurationen verändern.
Die erhöhten Energiepreise machen sich auch bei uns bemerkbar. Wir versuchen, uns hier breit aufzustellen. Seit 2013 haben wir vier eigene Windräder, die 15 Prozent unseres Energieverbrauchs decken. Wir haben eine eigene Speicherfarm. Dort kommen bis zu 700 Hochvoltbatterien aus BMW i3 zu ihrem zweiten Einsatz. Die Anlage kann Strom, u.a. aus den Windenergieanlagen, zwischenspeichern. Auch Energieeffiziente Fertigungsanlagen sind für uns sehr wichtig.
Vor zwei Wochen haben wir als erstes Automobilwerk der Welt an unserem „Green Day“ ein Pilotprojekt in der Lackiererei gestartet. Hier geht es um die alternative Nutzung von grünem Wasserstoff anstelle von Erdgas. Das ist die Richtung, in die wir gehen wollen. Wir wollen unabhängiger von Gas und nachhaltiger sein.
W+M: Gibt es denn schon ausreichend grünen Wasserstoff?
Petra Peterhänsel: Noch sind wir ja in einer Pilotphase mit einem ersten Brenner. Aber wir wollen das zeitnah ausbauen. Dazu arbeiten wir mit Versorgern aus Leuna, in Bitterfeld und in der Lausitz zusammen, um die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff sicherzustellen.
W+M: Wie hoch ist der Exportanteil, der in Leipzig gefertigten Fahrzeige?
Petra Peterhänsel: Im letzten Jahr haben wir knapp 200.000 BMW 1er und BMW 2er Gran Coupé und BMW 2er Active Tourer produziert. 80 Prozent unserer Fahrzeuge gehen in den Export. Unsere Top-3-Märkte sind neben Deutschland Großbritannien, Frankreich und China.
Foto: BMW AG / Fotograf: Martin Klindtworth
W+M: Haben Sie auch Fachkräfteprobleme oder ist BMW zu attraktiv?
Petra Peterhänsel: BMW ist natürlich ein sehr attraktiver Arbeitgeber und bietet spannende Perspektiven für die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter. Wir stehen aber im Wettbewerb mit anderen in der Region und müssen auch schauen, dass wir die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Qualifikationen finden. Aktuell suchen wir Instandhalter, Elektriker, Mechatroniker.
Wir haben aber auch die Zahl der Auszubilden gesteigert und bilden jetzt 65 pro Jahr aus, die natürlich übernommen werden.
W+M: Was könnten kleinere Unternehmen bei der Mitarbeitergewinnung von Ihnen lernen?
Peter Peterhänsel: Ich möchte mir nicht anmaßen, aus der Perspektive von BMW kleineren Unternehmen Ratschläge zu erteilen. Ich kenne viele Unternehmen, auch aus meiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende des Automobilcluster Ostdeutschland (ACOD) und weiß, dass gerade mittelständische Unternehmen Beachtliches leisten. Was sicher sehr wichtig ist: Man muss den Beschäftigten Perspektiven bieten und das auch kommunizieren.
W+M: Der Osten wird immer mehr Autoland und hat die Nase vorn bei der E-Mobility. Wo sehen Sie da das Werk Leipzig?
Petra Peterhänsel: Wir sind vorn mit dabei. 2013 mit dem i3 waren wir die Ersten beim Aufbau der E-Mobilität. Seit letztem Jahr produzieren wir in unserem Werk auch E-Komponenten für die elektrifizierten Fahrzeuge der BMW Group. Aktuell haben wir zwei Modullinien. Bis Anfang 2024 erweitern wir auf zehn Produktionslinien. Der Ausbau der E-Mobilität geht jetzt ganz schnell, dafür werden allein 800 Millionen Euro investiert und mehr als 1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Und Mini kommt nach Leipzig. Wir sind ab Ende nächsten Jahres das erste BMW-Werk, das BMW und Mini auf einer Linie produziert. Wir werden den neuen MINI Countryman bauen, und zwar sowohl mit Verbrennungsmotoren als auch mit reinem Elektroantrieb.
Foto: BMW AG / Fotograf: Martin Klindtworth
W+M: Ist die Präsenz von BMW in Ostdeutschland/Sachsen den günstigen Standortfaktoren zu verdanken. Welche sind das aus Ihrer Sicht?
Petra Peterhänsel: Als BMW einen neuen Standort suchte, gab es ca. 250 Bewerber, nicht nur aus Ostdeutschland. Leipzig war unter den Top-Five neben Schwerin, Augsburg und je einem Standort in Tschechien und Frankreich. Dass dann die Entscheidung für Leipzig fiel, ist von vielen Faktoren abhängig gewesen. Da ging es um Verfügbarkeiten von qualifiziertem Fachpersonal, die Verkehrsinfrastruktur, die Lage in unserem Produktionsnetzwerk und die Nutzung vorhandener Strukturen hinsichtlich Zulieferer und Logistik. In Leipzig hat es einfach am besten gepasst.
W+M: Bleibt es dabei, dass die Verbrenner durch die Stromer abgelöst werden oder ist da noch etwas?
Foto: BMW AG / Fotograf: Martin Klindtworth
Petra Peterhänsel: Der Trend zu Elektromobilität ist unumkehrbar, die Nachfrage nach E-Fahrzeugen steigt weiter an. Unser Ziel, bis 2030 die Hälfte unserer Fahrzeuge elektrisch anzubieten, steht. Aber BMW betont immer wieder, dass wir technologieoffen sind. So starten wir jetzt auch eine Kleinserien von BMW X5 mit Wasserstoff-Brennstoffzelle.
W+M: Wie verändert sich die Autowelt? Gibt es einen Trend weg vom Auto?
Petra Peterhänsel: Die Veränderungen in der Technologie sind enorm, gerade was Antrieb, Fahrerassistenz und Connectivity anbelangt. Auch die Kunden sind anspruchsvoller geworden. Einen Trend weg vom Auto sehe ich aufgrund der Nachfrage nicht. Insbesondere nicht im Premiumsegment, das noch schneller als der Durchschnitt wächst.
Persönlich denke ich, dass das Auto weiterhin Bestandteil des Straßenbildes sein wird. Viele Menschen sind auch darauf angewiesen, weil die Verkehrs-Infrastruktur insbesondere im ländlichen Raum nicht ohne Weiteres einen Umstieg ermöglicht.
W+M: BMW Leipzig ist ein Leuchtturm für die Region. Verstehen Sie sich auch als Leuchtturm für die ostdeutsche Wirtschaft?
Petra Peterhänel: Wir haben ganz enge Verbindungen in Leipzig, mit der Stadt und der Region, aber auch in Sachsen. Hier sind wir fest verankert und hier übernehmen wir auch Verantwortung. Die Bedeutung für die regionale Entwicklung war sicher groß, als das Werk gebaut wurde. Heute ist die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft, auch in Leipzig so beachtlich, dass wir nur noch einer von mehreren Treibern sind.
Petra Peterhänsel und W+M-Chefredakteur Frank Nehring. Foto: W+M
Interview: Frank Nehring
BMW Group Werk Leipzig
Das BMW Group Werk Leipzig ist eine der modernsten und nachhaltigsten Automobilfabriken der Welt. Im März 2005 begann die Serienproduktion. Heute rollen hier täglich rund 1.000 Fahrzeuge vom Band, derzeit der BMW 1er, das BMW 2er Gran Coupé sowie der BMW 2er Active Tourer.
Die BMW Group investierte in Summe bereits mehr als drei Milliarden Euro in den Standort Leipzig. Über 8.000 Menschen arbeiten auf dem Werksgelände. Als deutschlandweit erste Automobilfabrik wird das BMW Group Werk Leipzig zum Teil mit Strom aus vier werkseigenen Windkraftanlagen versorgt.
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