Die Verbände der ostdeutschen Chemie- und Pharmaindustrie haben beim Chemiegipfel in Böhlen am 15. Dezember 2025 einen eindringlichen Appell an die Bundesregierung gerichtet. 63.000 Arbeitsplätze seien gefährdet. Die Zeit des Redens sei vorbei – jetzt müsse gehandelt werden.

Die Leiterin der IGBCE, Stephanie Albrecht-Suljak, die Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände, Nora Schmidt-Kesseler, die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser, der Wirtschaftsminister Sachsens, Dirk Panter, der Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, Sven Schulze und der Wirtschaftsminister Brandenburgs, Daniel Keller, auf dem Chemiegipfel in Böhlen (von links nach rechts). Abbildung: Tom Schulze

Die Leiterin der IGBCE Stephanie Albrecht-Suljak, die Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände Nora Schmidt-Kesseler, die Ostbeauftragte der Bundesregierung Elisabeth Kaiser, der Wirtschaftsminister Sachsens Dirk Panter, der Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts Sven Schulze und der Wirtschaftsminister Brandenburgs Daniel Keller auf dem Chemiegipfel in Böhlen (von links nach rechts). Abbildung: Tom Schulze.

In Anwesenheit der drei Wirtschaftsminister Daniel Keller (Brandenburg), Dirk Panter (Sachsen) und Sven Schulze (Sachsen-Anhalt) sowie rund 150 weiteren Personen aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften übergaben die Vertreterinnen des Verbands der Chemischen Industrie, des Landesverbands Nordost, des Arbeitgeberverbands und der Gewerkschaft IGBCE Nordost ihre gemeinsame Erklärung „Zukunft der ostdeutschen Chemie- und Pharmabranche und der Raffineriewirtschaft sichern“ an die Ostbeauftragte der Bundesregierung Elisabeth Kaiser.

Die Erklärung fordert konkrete Schritte, um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu verbessern und die Chemiearbeitsplätze in Ostdeutschland zu sichern. Sie umfasst fünf zentrale Punkte:

  1. Beschäftigung und industrielle Wertschöpfung sichern: Verlässliche Rahmenbedingungen für industrielle Produktion, Verbundstrukturen und Stärkung der Tarifbindung.
  2. Resilienz und Wertschöpfungsketten stärken: Anerkennung der systemrelevanten Rolle der Branche für die Versorgungssicherheit.
  3. Zuverlässige Energieversorgung gewährleisten: Neuausrichtung der Energiewende mit Fokus auf Versorgungssicherheit, grundlastfähige Kraftwerksleistung auch im Osten aufbauen.
  4. Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit vereinen: Reform des EU-Emissionshandelssystems und Verlängerung der kostenfreien Zertifikatezuteilung.
  5. Bürokratieabbau und schnellere Genehmigungen: Digitalisierte Prozesse und systematische Reduzierung regulatorischer Belastungen.

In ihrer Rede erklärte Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände: „Wir erleben gerade, wie eine jahrzehntelang aufgebaute industrielle Substanz in Ostdeutschland zu zerbröseln droht. Wenn wir nicht sofort gegensteuern, verlieren wir nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch ganze Wertschöpfungsketten und damit den wirtschaftlichen Wohlstand ganzer Regionen. Die Politik muss verstehen: Uns helfen jetzt keine weiteren Prüfaufträge, sondern konkrete Entscheidungen.“

Stephanie Albrecht-Suliak, Leiterin der IGBCE Nordost, verdeutlichte: „Die Chemie-Beschäftigten in Ostdeutschland sind auf der Zinne: Nicht nur, dass sie angesichts dutzender Schließungs- und Abbaupläne um die Zukunftsperspektiven für sich und ihre Familie fürchten. Sie schütteln auch den Kopf darüber, wie industrielle Kernkompetenzen aufgegeben werden. Die Chemie ist Rückgrat der Industrie – hier im Chemiecluster in Mitteldeutschland, im Osten wie im ganzen Land. Deshalb müssen wir jetzt dringend gemeinsam die Grundlagen für ihren Turnaround legen, statt ihren Niedergang zu beklagen. Das funktioniert nur mit schnellen und entschlossenen Notmaßnahmen der Politik.“

30-Milliarden-Euro-Industrie in Ostdeutschland in Gefahr

Die ostdeutsche Chemie- und Pharmaindustrie beschäftigt mehr als 63.000 Menschen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 30 Milliarden Euro. Laut VCI Nordost und IGBCE Nordost hängen an jedem Chemiearbeitsplatz drei bis vier weitere Jobs in Zuliefererunternehmen und angrenzenden Branchen. Aufgrund ihrer besonderen Verbundstruktur sind die ostdeutschen Standorte den Verbänden zufolge besonders anfällig für Dominoeffekte bei Anlageschließungen.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze begrüßte in seiner Rede den Schulterschluss von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Politik für eine wettbewerbsfähige Transformation der Chemieindustrie.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister, Sven Schulze, sprach auf dem Chemiegipfel die Herausforderungen für die ostdeutsche Chemiebranche an. Abbildung: CDU Sachsen-Anhalt, Rayk Weber

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze sprach auf dem Chemiegipfel die Herausforderungen für die ostdeutsche Chemiebranche an. Abbildung: CDU Sachsen-Anhalt, Rayk Weber

Er sprach über die Herausforderungen für den Chemiestandort Ost. Seiner Meinung nach leidet die Branche unter erheblichen Wettbewerbsnachteilen, da die Energiepreise im internationalen Vergleich sehr hoch sind. Die unzureichende Auslastung der Kapazitäten und drohende Schließungen würden die Notwendigkeit schneller Maßnahmen verdeutlichen. Schulze sagte: „Die Situation ist dramatisch und duldet keinen weiteren Aufschub. Die Politik muss jetzt handeln, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Chemieindustrie zu stabilisieren und langfristig zu sichern.“

Schulze richtete auch einen Appell an die Europäische Union: „Alle europäischen Entscheidungsträger sind jetzt gefordert, den besonderen Stoffverbund hier im Mitteldeutschen Chemiedreieck zu erhalten und zukunftssicher weiterzuentwickeln. Diese Schlüsselindustrie ist ein Garant für Innovation und wirtschaftliche Stabilität in Ostdeutschland.“

Der Beitrag Chemiegipfel Ostdeutschland: Fünf-Punkte-Plan zur Rettung der Branche erschien zuerst auf ostdeutschland.info.