Die Basis für die in Gründung befindliche Studienstiftung des Ostens steht. 2028 sollen die ersten Stipendiaten aufgenommen werden. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden Richard Künzel.
Richard Künzel wurde 1996 im Vogtland (Sachsen) geboren. Der Vorstandsvorsitzende der Initiative Studienstiftung des Ostens ist derzeit auch Psychologie-Doktorand an der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Harvard School of Public Health. Abbildung: Benjamin Jenak
ostdeutschland.info: Richard, am 23. November knallten bei euch die Sektkorken. Was ist passiert?
Richard Künzel: Wir haben einen großen Meilenstein erreicht. Nach über einem Jahr Planung und Konzeption haben wir die „Initiative Studienstiftung des Ostens“ gegründet. Angefangen hat alles auf einer studentischen Veranstaltung während meiner Zeit an der Harvard University. Dort bemerkte ich zum ersten Mal, wie sehr die Struktur der Nachwuchsförderung am Osten vorbei geht und wie dringend wir ein ostdeutsches Förderwerk brauchen. Nachdem ich Beatrice und Uli mit ins Team geholt hatte, haben wir unsere Idee fast ein Jahr lang in intensiven Gesprächen herausfordern lassen. Unser Fazit: Für eine erfolgreiche Zukunft des Ostens braucht es ein zusätzliches, regionales Förderwerk, das die hellsten Köpfe unserer Region vernetzt und unterstützt. Wir arbeiten daran, dass das bald Realität ist. Die Initiative für das künftige Förderwerk haben wir nun gegründet.
Wer gehört zum Vorstand, wer noch zu den Gründungsmitgliedern?
Zum Vorstand gehören neben mir die Co-Gründer Beatrice von Braunschweig und Uli Prantz sowie unsere Mentorin Kerstin Günther, welche langjährige Erfahrung als Geschäftsführerin und Aufsichtsrätin aus dem Wirtschafts- und Forschungssektor mitbringt.
Zu den Gründungsmitgliedern zählen aber auch starke Unterstützerinnen wie Christiane Kilian, Vorständin der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen, und Heike Kahl, die Gründungsgeschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Mit David Brähler, Leiter des Vorstandsbüros der Sächsischen Aufbaubank, und Katrin Weymar haben wir Expertise aus dem Wirtschafts- und Finanzsektor im Team. Hinzu kommen noch Prof. Dr. Raj Kollmorgen aus der Wissenschaft und der Jurist Philipp Hartewig.
Die drei Gründer der Studienstiftung des Ostens. Richard Künzel, Beatrice von Braunschweig und Uli Prantz (von links nach rechts). Abbildung: Initiative Studienstiftung des Ostens e.V. i. Gr.
Was soll die Studienstiftung des Ostens einmal bieten?
Mit der Stiftung wollen wir den hellsten Köpfen unserer Region ermöglichen, sich zu echten Verantwortungsträgern in der Region und für die Region zu entwickeln. Das geht am besten mit einem Stipendium während Studium und Ausbildung, denn ein Stipendium kann ein echtes Sprungbrett sein. Ich habe das selbst erlebt: Ich komme aus einem kleinen Dorf in Sachsen, bin dazu noch der Erste in meiner Familie, der studiert hat. Ohne Stipendium hätte ich vermutlich nicht studieren können, geschweige denn an der US-amerikanischen Universität Harvard forschen. Doch solche Stipendien sind für Nachwuchstalente aus unserer Region nur schwer erreichbar. Mit der Studienstiftung des Ostens wollen wir ein Stipendienprogramm aufbauen, das junge Nachwuchstalente aus dem Osten Deutschlands während ihres Studiums finanziell unterstützt, ihnen auch außerhalb des Hörsaals Workshops und Akademien zur Weiterentwicklung bietet und vor allem ein starkes Netzwerk aus aktuellen und zukünftigen Verantwortungsträgern bildet.
Soll die Studienstiftung des Ostens nur für Ostdeutsche offen sein und wer würde ggf. als ostdeutsch gelten?
Wir wollen alle jungen und talentierten Studierenden fördern, die in und für unsere Region Verantwortung übernehmen wollen. Das nimmt natürlich Nachwuchstalente in den Fokus, die aus der Region kommen. Doch es gibt auch so viele weitere junge Menschen, die sich bewusst für den Osten entscheiden und sich hier engagieren. Auch sie wollen wir mitnehmen, denn unsere Zukunft gestalten wir alle zusammen.
Woher sollen die Fördermittel kommen?
Am besten aus allen Sektoren der Gesellschaft, maßgeblich aber von den ostdeutschen Bundesländern. Denn traditionell werden die hellsten Köpfe einer Region aus Mitteln des Bundes bzw. der Länder gefördert. Bayern macht es seit 20 Jahren beispielhaft vor: Das Elitenetzwerk Bayern ist ein Förderwerk des dortigen Wissenschaftsministeriums. Der Grund ist: Stipendien brauchen eine langfristige Finanzierungssicherheit – das kann so in der Regel nur eine staatliche Finanzierung sichern. Die Länder profitieren von dieser Förderung langfristig auch am meisten.
Wie sieht euer Zeitplan aus?
Den ersten Schritt haben wir gemeistert – die Initiative mit einer gemeinnützigen Vereinsstruktur steht. In den kommenden zwei Jahren bauen wir die Struktur der Stiftung auf und werben die Mittel für die künftigen Stipendien ein. Wir hoffen, dass wir ab 2028 die ersten Stipendiaten aufnehmen können.
Es gibt Tausende Stipendienprogramme in Deutschland sowie 13 große Begabtenförderungswerke. Warum braucht es da noch dieses?
Das stimmt, es gibt viele erfolgreiche Stipendienprogramme – allen voran die der 13 „Begabtenförderungswerke“. Das Problem ist: Diese Förderwerke werden getragen von politischen Parteien, Wirtschaftsverbänden oder Religionsgemeinschaften. Wir beobachten seit Langem, dass vor allem Parteien und Religionsgemeinschaften im Osten gesellschaftlich kaum verankert sind. Nachwuchstalente im Osten fühlen sich von diesen Institutionen und damit auch von ihren Nachwuchsförderprogrammen nicht angesprochen. Schon seit Jahren hängt die Zahl der ostdeutschen Stipendiaten hinter dem zurück, was eigentlich gebraucht würde.
Ein weiterer Grund ist: Es fehlen starke Netzwerke in der Region, die Talente untereinander und mit aktuellen Verantwortungsträgern vernetzen. Und Netzwerke, die auf die Besonderheit der Region mit ihrer Geschichte und der Sozialisation ihrer Bürger eingehen. Das können etablierte Strukturen leider nicht in dem Maße leisten, wie wir es brauchen, um unsere Region nach vorne zu bringen.
Warum ist ein Stipendium heute eigentlich so wichtig?
Weil es ein Leben sprichwörtlich verändern kann. Ich habe das selbst erlebt. Ohne Stipendium wäre ein Studium für mich nie möglich gewesen , geschweige denn meine Promotion. Ein Stipendium ermöglicht die Freiheit zur Entwicklung – fachlich, aber auch persönlich – und den Blick über den Tellerrand hinaus. Ein Stipendium ist eines der effektivsten Mittel, wie Talente zu echten Verantwortungsträgern werden – die brauchen wir besonders im Osten zahlreich.
Wie bist du auf die Idee zu einer solchen Studienstiftung gekommen?
Entstanden ist die Idee während meiner Zeit in Harvard. Dort habe ich viele deutsche Stipendiaten getroffen, doch die kamen meistens aus München, Heidelberg oder Bonn. Stipendiaten aus Dresden, Leipzig oder Halle (Saale) habe ich selten getroffen. Dort habe ich zum ersten Mal verstanden, wieso ostdeutsche Talente so selten zu Spitzenpositionen kommen. Das Problem wurzelt bereits in der Nachwuchsförderung.
Daraus ist die Initiative der „Studienstiftung des Ostens“ entstanden – die Idee gab es aber schon einmal, wie ich später erfahren habe. Die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ hat eine solche in ihrem Abschlussbericht 2020 gefordert. Doch umgesetzt wurde sie leider nie. Wir möchten diese Forderung nun vorantreiben und umsetzen.
Das Logo der Studienstiftung des Ostens. Abbildung: Initiative Studienstiftung des Ostens e.V. i. Gr.
Es gibt gelegentlich Kritik an den Begabtenförderungswerken – sie schließen viele aus, reproduzieren bestehende Ungleichheiten und fördern vor allem den eigenen Nachwuchs … Wie steht ihr dazu?
Die Begabtenförderungswerke leisten eine wertvolle Arbeit, ohne die mancher Lebensweg nicht möglich wäre. Diese Struktur wollen wir weiter ausbauen und verhindern, dass die Lücke zwischen Ost und West noch größer wird, als sie bereits ist.
Die Förderung der hellsten Köpfe unseres Landes ist von Grund auf vielfältig und pluralistisch – diese Vielfalt wollen wir erweitern und ein starkes Netzwerk für unsere Region aufbauen.
Wie kann man euch unterstützen?
Die größte Hilfe ist, unsere Mission zu teilen. Wir haben ein großes Ziel, doch erreichen können wir das nur gemeinsam. Das beginnt natürlich bereits mit der Finanzierung unserer Arbeit – 2026 werden wir eine Crowdfunding-Kampagne starten und hoffen auf viele Unterstützerinnen und Unterstützer.
Vielen Dank und viel Erfolg.
Die Fragen stellte Robert Nehring.
Der Beitrag Mit der Studienstiftung des Ostens durch die gläserne Decke: Richard Künzel im Interview erschien zuerst auf ostdeutschland.info.